Anne Walter ist Professorin für Migrations- und Sozialrecht an der Hochschule Fulda. 12 Fragen und Antworten.

1. Was war ausschlaggebend dafür, dass Sie sich damals als Student*in für Ihr Fach entschieden haben? 

Offen gestanden, dass ich mich noch nicht entscheiden musste, positiv formuliert die vielen beruflichen Möglichkeiten als Juristin. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt kein konkretes Berufsbild vor Augen. Professorin übrigens auch nicht.

2. Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus?

Der Tag in der Vorlesungszeit beginnt mit dem Blick in den Kalender, denn jeder Tag sieht anders aus mit verschiedenen Sitzungen, Vorlesungen oder Besprechungen. Dann entscheide ich, was wann vorbereitet werden muss. Die vorlesungsfreie Zeit ist insofern produktiver, als es mehr zusammenhängende Zeit am Stück gibt. Hier kann man unter weniger Zeitdruck schreiben.

3. Sind Sie eher der digitale Typ oder bevorzugen Sie die Präsenzlehre? 

Vor drei Semestern hätte ich gesagt: Präsenz.

Aber inzwischen sehe ich auch Vorteile der digitalen Lehre. Das Maß ist aber entscheidend!

4. Vor und nach Corona:

a) Was haben Sie in der Lehre der Corona-Pandemie gelernt?
b) Was nehmen Sie aus der Corona-Pandemie für die Lehre danach mit?

zu a):

Ich habe einige – sicher noch nicht alle – digitale Formate virtueller Lehre und Interaktion ausprobiert oder die Möglichkeiten der Moodle Plattform mehr genutzt für synchrone, aber auch asynchrone Inhalte. Sie ist sicher jetzt gehaltvoller als vorher, aber es braucht sehr viel Zeit. Deshalb glaube ich, dass digitale Formate sehr gut ergänzen können, aber eben nicht die Präsenz ersetzen wie die letzten drei Semester.

zu b):

Die Freude und Wertschätzung des persönlichen Gesprächs. Es mag archaisch wirken, aber es liegt eben etwas Besonderes in der Situation, wenn Menschen sich in einem Raum treffen, miteinander sprechen und Ideen entwickeln. Dafür muss man sich Zeit nehmen.

5. Wenn Sie nicht Professor*in/Dozent*in wären, welchen alternativen Beruf hätten Sie ergriffen?

Gute Frage! Mich haben die Naturwissenschaften sehr interessiert, aber auch die Medizin. Innerhalb der juristischen Welt haben mich lange internationale Berufsfelder sehr fasziniert.

6. Wie können Sie am besten vom Alltag „abschalten“?

In der Natur! Das ist ein wichtiger Ausgleich zu unserer kopflastigen Arbeit.  Aber auch gute Gespräche oder Bücher können sehr inspirieren.

7. Was bringt Sie zur Weißglut?

Mein Sternzeichen ist Stier, der ist bekannt für viel Geduld und Gelassenheit. Aber wenn ich sehe, wie unsere Lebensgrundlagen zunehmend gefährdet sind, erschüttert mich das.

8. Worüber können Sie lachen? 

Über vieles! Über die wundersamen Wendungen, die das Leben nimmt. Und während der Lockdowns über die 7 Minuten Sendung „Noch nicht Schicht“.

9. Wovon wurden Sie zuletzt überrascht?

Im letzten Jahr sicher auch davon, wie massiv dieses kleine Virus in der Lage war, unser aller Leben zu betreffen.  Aber auch – wie gut gerade auch der Sozialstaat – darauf reagieren konnte.

10. Was begeistert Sie?

Wieder die Kraft der Natur! Aber auch die Kraft von Ideen – wenn ihre Zeit gekommen ist. Fridays for Future ist eine davon.

11. Im sozialrechtlichen Bereich gibt es viele Brandherde. Welches Feuer würden Sie gern als Erstes löschen?

Kinderarmut. Es ist traurig, dass es sie in unserem reichen Land gibt. Und sie hat viel der immer noch unzureichenden Wertschätzung der Arbeit von Frauen zu tun.

12. Welchen Tipp würden sie einem*r angehenden Sozialrechtsstudent*in für ein erfolgreiches Studium geben? 

Seien Sie neugierig. Nehmen Sie sich Zeit für Fragen. Lesen Sie Zeitung(en).

Über Anne Walter:

Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Gießen und der Université Occidentale de Bretagne. Während ihres juristischen Vorbereitungsdienstes am OLG Frankfurt a.M. war sie als Intern bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen tätig. Anne Walter arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht in Osnabrück, am Zentrum für Rechtssoziologie an der Universität Nijmegen in den Niederlanden sowie als Referentin bei der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration in Berlin. Nach ihrer Promotion war sie Koordinatorin im Zentrum für Promovierende in Osnabrück und Referentin in der Abteilung Entwicklungsplanung an der Universität Kassel. In Fulda hatte Anne Walter zunächst eine Vertretungsprofessur für Sozialrecht inne, seit 2017 ist sie Professorin für Migrations- und Sozialrecht am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften an der Hochschule Fulda. Anne Walter ist Mitglied im Rat für Migration und Gründungsmitglied des Netzwerks Migrationsrecht. An der Hochschule Fulda wirkt sie als Mitglied der Ethikkommission, stellvertretende Leiterin der Law Clinic Migrationsrecht und stellvertretendes Mitglied des Direktoriums Forschungsverbund für Sozialrecht und Sozialpolitik (FoSS) der Hochschule Fulda und der Universität Kassel.